Das Kopfhörerbussiness ist eines mit mindestens genauso viel Tradition, wie das der Lautsprecher. Zunehmends wollen aber auch Lautsprecherhersteller ein Stück vom Kuchen mitnaschen. Warum dem so ist, und wieso Kopfhörer immer mehr an Bedeutung gewinnen, soll dieser Artikel zu klären versuchen.
Die Kopfhörersparte in der Hifi-Branche fristete bis zum zweiten Millenium eher ein Nischendasein. Viele, die zu Hause Musik genießen wollten, griffen auf Lautsprecher zurück, mit denen man die Wohnung bzw. das Haus beschallen konnte. Kopfhörer wurden meist nur als mobiles Muss angesehen um auf seinem neuen Walkman oder Discman auch unterwegs Musik zu hören, aber in wenigen Fällen genießen zu können. Aber gerade, wer in einer Neubauwohnung mit eher dünnen Wänden wohnt, so wie der Autor dieser Zeilen, der hatte bestimmt schon einmal den Nachbarn vor der Türe stehen gehabt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat sich jeder schon einmal Gedanken gemacht, statt den Lautsprechern eine andere Lösung zu suchen. Die Meisten scheiterten aber noch vor ein paar Jahren bei der Kopfhörersuche aufgrund mangelnder Verfügbarkeit bei Fachhändlern und auch eher unzureichendem Angebot der Hersteller im höherwertigen HiFi-Segment.
Durch die steigende Nachfrage in diesem Segment steigen immer mehr Lautsprecherhersteller, wie z.B. Kef oder Focal auch in den Kopfhörermarkt ein, mit mehr oder weniger Erfolg. Auch die bereits etablierten Kopfhörerhersteller schaffen eine neue hifidele Preisklasse oberhalb der 500€. Die prominentesten Vertreter dieser Preisklasse sind Sennheisers HD 800 und Beyerdynamics T1. Diese Kopfhörer wurden speziell für Personen mit einem hohen Anspruch auf Musikqualität entwickelt, die auch zu Hause ungestört ihre Musik genießen wollen. Inzwischen haben sich aber auch teils unbekanntere Hersteller von High-End Kopfhörern auf dem europäischen Markt etabliert. So ist der Amerikanisch-Chinesische Hersteller HifiMan nun seit einiger Zeit auch in Deutschland und Österreich vertreten.
Diese immer beliebter werdende Art Musik zu genießen, schlägt sich auch bei den Endkunden in einem Umdenken nieder. Durch die zunehmende Verstädterung, die damit verbundene Abnahme an für lautes Musikhören geeigneten Eigenheimen und die erschwinglicheren Preise von technischen Produkten, springen heute auch weniger betuchte Kunden auf den Zug des hochauflösenden Musikgenusses auf.
Zusätzlich zu den immer besser werdenden Kopfhörern, hat sich auch im Bereich des Verstärkerbaus viel getan. Die allgemeine Präsenz eines Computers im Haushalt hat bei den Herstellern ein Umdenken herbeigeführt. Hochwertige Musikstücke können nun auch problemlos am PC oder Mac mit geeigneten Kopfhörervertsärkern gehört werden. Ein Vorreiter dieser Branche, der zudem gute Qualität zum kleinen Preis bietet ist die Chinesische Firma FiiO. Primär werden dort portable Kopfhörerverstärker hergestellt. Damit soll es Kunden auch ermöglicht werden, mit Kopfhörern, die normalerweise für MP3-Player und heute auch Handys zu schwer anzutreiben bzw. meist zu leise sind, auch mobil Musik mit ihrem Lieblingskopfhörer genießen zu können. Zunehmend werden aber auch bei FiiO Lösungen auf den Markt gebracht, die sowohl speziell für Smartphones mit dem immer weiter verbreiteten Android-Betriebssystem als auch für die direkte Verstärkung am PC mittels USB-Verbindung entwickelt wurden. Die neueste Entwicklung des Herstellers sind zwei sogenannte DAPs (Digital Augio Player) – X3 und X5, die in den letzten Jahren trotz der guten Möglichkeiten mit dem Smartphone Musik zu hören eine regelrechte Renaissance erleben durften. Auch weitere Hersteller wie iBasso konnten sich mit eigenen DAPs (DX50 und DX90) und portablen Kopfhörerverstärkern (D-Zero, DB2) am Markt einen fixen Platz verschaffen.
Abgesehen von den eher kleineren, für den mobilen Markt gedachten Verstärkermodellen finden sich auch im stationären bereich immer besser klingende Kopfhörerverstärker. Die eigentlich vor allem für ihre Blu-Ray Player mit exzellentem Preis-/Leistungsverhältnis bekannte Firma Oppo vertreibt seit 2013 auch Kopfhörerverstärker und die dazu passenden Kopfhörer, welche für den Premiummarkt vorgesehen sind. Auf der Finanzierungsplattform Kickstarter tummelten sich auch diverse Projekte, wie z.B. der Sprout von PS Audio. Hier wird zudem auch der Trend zu immer kompakteren All-In-One Lösungen sichtbar. Der kleine „Spross“ beherbergt neben einem guten Kopfhörerverstärker auch ein Phono-Verstärkerteil und erhebt zudem noch den Anspruch ein Vollwertiger Verstärker für Boxen zu sein.
Diesem Trend der immer höherwertigen Audiowiedergabe am PC mittels Kopfhörer folgt auch die Musikindustrie und stellt immer häufiger auch hochauflösendes, unkomprimiertes Tonmaterial zum Download bereit, welches weit über die Audioqualität eines MP3-Files und sogar einer CD hinausgeht um somit das Potenzial von teurem Equipment auch voll ausnutzen zu können. Diese sog. Masterfiles, welche im 24bit/96KHz bis 32bit/384KHz angeboten werden (Zum Vergleich: CD Qualität entspricht 16bit/44.1KHz), sind meist auf einem Niveau mit jenem von direkt im Tonstudio aufgenommener Musik. Dadurch soll eine möglichst unverfälschte und eine klangmindernde Komprimierung vermeidende Wiedergabe der Musikdaten gewährleistet werden. Händler, die derzeit solch hochauflösende Musik zum Download anbieten, sind u.a. 2L, Highresaudio oder Qobuz. Sogar Hersteller von namhaftem HiFi-Equipment wie Linn oder Naim stellen auf der Website ihres eigenen Labels speziell für ihre Geräte und auch Fangemeinde ausgesuchte hochbittige Musik zur Verfügung.
Natürlich sollte man den Zusammenhang zwischen Computer-Audio und Kopfhörern nicht als alleinige Ursache für den steigenden Absatz für mobiles Audio und speziell bei Kopfhörern sehen, zudem auch die Vinylbranche in den letzten Jahren wieder eine Renaissance erfährt. Musikhören in den eigenen vier Wänden wird mit zunehmender Verstädterung immer persönlicher und scheint durch die nicht mehr selbstverständliche Option eines Eigenheimes fast schon unumgänglich. Für die Lautsprecherhersteller bedeutet dies freilich eine Umstellung und Abweichung von ihrer Tradition, wird aber von den etablierten Firmen mehr oder weniger mit bravour gemeistert. Zusätzlich entstehen auch neue, für diesen Bereich spezialisierte Firmen, womit auch die Diversität und der Wettbewerb am Markt weiteren Aufschwung erfährt.
Der Trend in Richtung Mobiles Hifi wird mit der fortschreitenden Digitalisierung und Technisierung der gesamten Unterhaltungsgesellschaft unaufhaltsam voranschreiten, bis ein unvermeidliches „Eingreifen“ der Wirtschaft diesen Trend in absehbarer Zeit vermutlich aufhalten wird. Was dann? Back to the roots? Der Weg „zurück in die Zukunft“ scheint bereits begonnen zu haben…