Der richtige Hörer für jede Lebenslage – Kopfhörerkauf leicht gemacht

IMG_20141205_032741Da das Thema Kopfhörer schon seit einiger Zeit in aller Munde und dabei ist, den Hifi-Markt auf den Kopf zu stellen, nutze ich hier die Gelegenheit, auch diejenigen Hifi-Freunde, welche im Kopfhörersegment weniger gut bewandert sind, mit ein paar Tipps und Empfehlungen auf den aktuellen Stand zu bringen.

 

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Einsatzzweck: Mobil, stationär oder Allround?

Was man beim Kauf beachten sollte: Ungeachtet der eigenen Präferenzen, sollte man sich zuallererst im Klaren sein, Für welchen Einsatzzweck der Kopfhörer dienen soll. Nicht jeder Kopfhörer ist auch für jede Lebenssituation geeignet.

Mobile Modelle besitzen zumeist speziell auf die Anforderung für den raueren Alltag abgestimmte Merkmale. Sie sind z.B. von vorn herein robuster gebaut um auch beim Sport oder unter anderen Bedingungen standhalten zu können. Ein weiteres Merkmal stellt die Größe und das Gewicht dar. Um nicht unangenehm aufzufallen, sowohl für den Träger, als auch um sonderbare Blicke anderer zu vermeiden, sollte hier ein Modell gewählt werden, das sowohl leicht ist (man will ja nicht mit Genickschmerzen in der Arbeit erscheinen), als auch nicht durch die Größe die Bewegungsfreiheit einschränkt. In Frage kommen hier im Bügelkopfhörerbereich sog. On-Ears. Diese umschließen, wie das bei größeren Kopfhörern der Fall ist, das Ohr nicht komplett, sondern liegen mit den Ohrpolstern am äußeren Rand des Ohres auf. Dadurch können diese Kopfhörer wesentlich kleiner und leichter gebaut werden, was der Mobilität und Transportierbarkeit der sehr entgegen kommt. Für Brillenträger ist diese Art von Kopfhörer aber meistens nicht geeignet, da durch den häufig höheren Anpressdruck auch der Druck auf den Brillenbügel erhöht wird und ein schmerzfreies Tragen des On-Ears deshalb unmöglich erscheint.

Neben On-Ears werden aber auch In-Ears immer beliebter. Kleine Ohrhörer, welche fast komplett im Ohr verschwinden. Die Vorteile dieser Konstruktionsweise liegen auf der Hand: Ungeschlagene Portabilität, kein aufgezwungenes „Mode-Accessoir“, wie es bei On-Ears oder noch größeren Modellen der Fall ist, perfekte Abschirmung der Außengeräusche und ein angenehmer Sitz, vor allem für Brillenträger, ohne die Ohrmuschel zu strapazieren. Einen weiteren Vorteil gegenüber allen anderen Kopfhörern bieten In-Ears in Sachen Wärmeentwicklung. Wenn das Thermometer im Sommer mal wieder über die 30°C Marke klettert, kann es bei Kopfhörern, die das Ohr bedecken, schnell zum Hitzestau und so zu unangenehmer Schweißbildung kommen. Zudem werden Custom-In-Ears immer beliebter. Neben dem ursprünglichen Haupteinsatzbereich auf der Bühne, wo ein perfekter Sitz und Seal das Um und Auf eines Monitors ist, greifen auch immer mehr highfidele Heimanwender zu solchen Schmuckstücken. Die für jedes Ohr maßgeschneiderten Ohrhörer haben den großen Vorteil, dass schlecht sitzende Modelle, die z.B. zu klobig für manche Ohrkanäle sind, der Vergangenheit angehören. Solche Custom In-Ears verwenden anstatt der sonst bei Kopfhörern üblichen dynamischen Treiber zur Schallwiedergabe sog. Balanced Armature Treiber. Statt den kompletten Frequenzbereich mit einem Treiber abzudecken, wird für jeden Frequenzbereich (Tief-, Mittel- und Hochton) ein eigener verwendet, um wirklich für alle Bereiche die perfekte Wiedergabe zu gewährleisten – der technische Unterschied zwischen den klangerzeugenden Technologien wird in nächster Zeit noch in einem gesonderten Artikel unter die Lupe genommen werden.

Schließlich bleibt noch die Kategorie der großen Kopfhörer für Heimanwender – sog. Over-Ears. Solche Boliden sind nicht nur wegen ihrer Größe für den Mobilen Gebrauch ungeeignet. Die meisten höherwertigen Modelle dieser Kategorie besitzen eine sog. offene Bauweise. Dies bedeutet, dass der Schall vom Chassis nicht nur zu den Ohren hin abgestrahlt wird, sondern auch von Außen wahrnehmbar ist, da die Treiber meist nur durch ein Gitter abgedeckt werden. Dies ergibt im Heimanwenderbereich einen deutlichen Vorteil: Der Klang solcher Kopfhörer wirkt meistens viel räumlicher und steht manchmal dem Klangeindruck, den man bei großen Lautsprechern hat, um nichts nach. Durch diese Offenheit ist ein Einsatz für unterwegs aber nahezu ausgeschlossen. Zum einen bekommt die Umgebung einiges von der gerade gehörten Musik mit, was somit in einer Zwangsbeschallung resultiert. Andererseits gehen durch die offene Bauweise bei einer Schalleinwirkung von außen deutliche Klanganteile verloren. Die Kopfhörer wirken dann Bassarm und man muss, um die Außengeräusche zu kompensieren, viel lauter hören, was auch gesundheitsschädlich auf einen selbst wirken kann. Bei den meisten Modellen dieser Kategorie wird zudem ein eigener Kopfhörerverstärker benötigt, da die meisten mobilen Geräte, MP3-Player oder Smartphones, ohnehin zu schwach wären, den Kopfhörer auf einem moderaten Geräuschniveau zu betreiben.

Klangsignatur: Alles ist subjektiv

Ohne auf den Einsatzzweck Rücksicht zu nehmen, hat jedes Kopfhörermodell, genau wie bei Lautsprechern, seinen eigenen Klangcharakter. Die heutzutage im Elektronikgroßmarkt erhältlichen Modelle haben meist nur wenig mit unverfälschter Klangwiedergabe gemein. Die Hersteller versuchen hier auf die Massentauglichkeit am Markt zu achten, wobei viele vergessen, dass viel Bass nicht gleichzeitig einen guten Kopfhörer ausmacht. Durch Marketinggags, wie z.B. die Einbindung von berühmten musikalischen Persönlichkeiten in die Verkaufsstrategie, muss bei solchen Modellen meistens für den Namen mehr bezahlt werden, als diese wirklich wert sind. Durch die bei Consumermodellen übliche „Badewannenabstimmung“ – Bässe und Hochton werden künstlich angehoben, um so Musik dynamischer wirken zu lassen, als sie eigentlich ist – geht oft der für das Musikalische sehr wichtige Mittenbereich unter, in denen Instrumente, wie Gitarren und Streicher aber auch Stimmen angesiedelt sind. Der Effekt erinnert dann immer an den bei Hollywoodfilmen forcierten Loudness war, bei denen man vor lauter Spezialeffekten die Dialoge nicht mehr versteht. Natürlich besitzt jede Person ihre eigenen Präferenzen, was den Klang betrifft. Ich möchte aber auch einen Appell an interessierte Käufer aussprechen und empfehle jedem, sich die Kopfhörer vor dem Kauf mit eigener Musik anzuhören, bevor man zum falschen, überteuerten Modell greift.

Budget: Vom Beipack-Earbud bis zum High-End Boliden

Bei einem Kauf sollte man sich außerdem schon vorher im Klaren sein, welchen Preis man maximal für einen guten Klang ausgeben will. Wer seine Kopfhörer hauptsächlich zum Joggen und für Freizeitaktivitäten nutzt, sollte zudem bei einem höheren Budget mit einberechnen, dass solche Hörer bei unsachgemäßer und unachtsamer Handhabung vermutlich genauso schnell das Zeitliche segnen werden, wie Modelle um 10€-20€. Allgemein gibt es bei Kopfhörern genauso, wie bei teuren Standlautsprechern keine Preisgrenze nach oben. Die verschiedenen Modelle reichen von mit dem MP3-Player oder Smartphone mitgelieferten bzw. im Bauhaus um ein paar Euro teure Billig-InEars, über gehobene aber bezahlbare Qualität um 100 – 200 Euro bis hin zu Modellen um 1000 – 5000 Euro (z.B. der Stax SR-009).

Klangqualität und Preis müssen aber nicht zwangsläufig zusammenhängen. Ein Ultimate Ears UE200 um 20€ z.B. kann eine genauso gute oder gar bessere Klangqualität bieten, wie ein von einem nicht näher gennannten „bestialischen“ Hersteller mit einem Hollywood-DJ beworbener Bügelkopfhörer um 300€. Hier spielen, genauso wie beim Autokauf, nicht nur die inneren Werte, sondern auch die Präferenzen der Kunden, das Design betreffend eine große Rolle. Ein Tipp: Wer bei Kopfhörern nur auf’s Äußere sieht, kann so manche klangliche Offenbarung anderer Modelle mit weniger Bling-Bling verpassen.

Persönliche Präferenzen – eine kleine Auswahl an empfehlenswerten Kopfhörern

Als Abschluss möchte ich hier noch einige Kopfhörermodelle der jeweiligen Geräte- und Preisklasse präsentieren, die für mich persönlich derzeit das Non-Plus-Ultra in Sachen Preis/Leistung darstellen.

Preisbereich 20€ bis 100€

In diesem Preissegment tummeln sich die meisten Kopfhörermodelle, da dies die anscheinend attraktivste Kategorie bei Konsumenten darstellt. Besonders erwähnenswert für Bassbegeisterte (bevorzugtes Genre Hiphop, Elektronik, Techno etc.), die aber trotzdem nicht auf einen straffen Klang verzichten wollen und bei dem auch die Stimmen nicht untergehen, ist der AKG K518-LE (UVP 49€). Der OnEar ist in verschiedenen Farben erhältlich und dank seiner kompakten Abmessungen und der hohen Außengeräuschisolation bestens für unterwegs geeignet. Brillenträger sollten allerdings davon Abstand nehmen, da der Anpressdruck sehr hoch ist und dadurch ein längeres Tragen mit Brillenbügeln unangenehm ist. Als Alternative kann man auch zu einem eher unbekannteren Over-Ear Modell, dem Edifier H850 (40-50€), greifen. Die wesentlichen Vorteile: Für Brillenträger sicher viel bequemer, da er die ganze Ohrmuschel bedeckt und durch die weichen Polster auch langzeittauglich ist. Gleichzeitig macht er auch unterwegs eine gute Figur und trägt nicht zu sehr auf. Hinzu kommt noch das abnehmbare Kabel, was bei so einer Preisklasse keinesfalls selbstverständlich ist. Eine InEar-Empfehlung kann dem Ultimate Ears UE200 ausgesprochen werden. Für seinen Preis von gerade einmal 20-30€ leistet der kleine Hörer wirklich Gewaltiges. Mit der relativ neutralen Abstimmung und einer kleinen Bassanhebung kann er durchaus als Allroundhörer durchgehen – wie der HE850 übrigens auch. Als Alternative kommt der ebenfalls unbekanntere Brainwavz M3 (69€) in Frage, der in der Räumlichkeit für einen InEar wirklich neue Maßstäbe in seiner Preisklasse setzt.

Preisbereich 100€ bis 300€

Bereits etwas hochwertiger geht es in dieser Preiskategorie zu. Eine typische On-Ear Empfehlung gebührt hier sicherlich dem Sennheiser HD-25-1 (UVP 209€). Als für Djs konzipierter Hörer verfolgt er eine ähnliche Klang- und Designstrategie, wie der K518. Perfekt isolierend mit Bass- (und auch Höhenbetonung) und erhöhtem Anpressdruck, dadurch aber für Brillenträger nicht unbedingt geeignet. Als Alternative wären hier der Over-Ear Audio Technica ATH-M50x (UVP 159€) oder der um ca. 100€ teurere Sennheiser Momentum (1st ed. UVP 299€) zu nennen, der auch für Designbewusste etwas zu bieten hat. Für den Heimgebrauch dürfen die bekanntesten Modelle von Beyerdynamic (DT880 – UVP 249€) und AKG (K701 – Straße ab 229€) natürlich auch nicht fehlen. Beide setzen einen dedizierten Kopfhörerverstärker voraus. Dieser Preisbereich bedeutet auch gleichzeitig bei InEars den Einstieg der Balanced-Armature Treiber. Ab 100€ bekommt man z.B. schon den relativ neutral spielenden Meelectronics A161P (UVP 99€) oder den Dual-BA Westone W20 (UVP 199€). Als Alternative bietet sich der dynamische Shure SE-215 (UVP 89€) für Leute an, die mehr Bass benötigen.

Preisbereich 300€ bis 1000€

Klar, nicht jeder würde so viel Geld für einen Kopfhörer ausgeben. Gerade aber in diesem Segment sind die interessantesten highfidelen Gustostücke angesiedelt. Auch die Abstimmung der Kopfhörer im Tonstudio und bei der Produktion will sein Geld kosten und so muss man für einen Klang, der auch feinste Details wiedergeben soll, etwas tiefer in die Tasche greifen. Alternative Schallerzeugungstechnologien sind hier ebenfalls keine Seltenheit mehr. So gibt es einige Modelle in gerade diesem Preisbereich, die statt dynamischer Treiber, sog. Magnetostaten verwenden, wie z.B. den HiFiMan HE-560 (UVP 899€) oder den gerade vorgestellten Audeze EL-8 (UVP 699€). Standardempfehlungen sind z.B. der Sennheiser HD 700 (UVP 599€) und der Beyerdynamic T90 (offen) bzw. der T70p (geschlossen) für jeweils 499€ UVP. Alle Modelle sind vorwiegend für den Heimgebrauch konzipiert und Over-Ears. Mobile On-Ears sind in dieser Preisregion leider sehr dünn gesät, weshalb ich hier auch mangels Erfahrung keine Kaufempfehlungen aussprechen kann.

Anders sieht es aber bei den InEar-Modellen aus: Ab einem Preis von ca. 500€ kann man bei diversen InEar-Spezialisten, wie Rhines Custom Monitors (Stage-Serie), InEar (LivePro und Streetlive-Serie) oder Ultimate Ears maßgefertigte InEars ordern, welche neben einem sehr erwachsenen und detailreichen Klangbild, individuelle Anpassung an das eigene Ohr und perfekte Geräuschisolation bieten. Aber auch Universal-InEars der Spitzenklasse wie z.B. der Ultimate Ears UE900 (UVP 399€) oder der Audiofly AF180 (UVP 550$) sind sicher eine Hörempfehlung wert, Letzterer in Europa aber nur schwer aufzutreiben.

Über 1000€

In diesem Preisbereich siedelt sich das absolute High-End an Kopfhörern an und stellt gleichzeitig auch das obere Ende des derzeit technisch Machbaren dar, ohne Kompromisse einzugehen. Mobile Bügelkopfhörer sucht man genauso verzweifelt, wie Kopfhörer im Standarddesign. Diese Oberliga gehört tatsächlich den stationären Modellen. Allerdings wird ein Basshead sicher nicht glücklich mit vielen davon werden, da diese Kopfhörer wirklich auf absolute Neutralität bei der Wiedergabe setzen um so genau das wiedergeben zu können, was tatsächlich aufgenommen wurde. Allen voran der Stax SR-009. Das derzeit absolute Highest-End. Für knappe 5000€ bekommt man hier einen elektrostatischen Kopfhörer, der ohne speziellen Kopfhörerverstärker mit hoher Ausgangsspannung gar keinen Ton von sich gibt. Schon hingegen zum Klassiker geworden ist der Sennheiser HD800 (UVP 1199€). Einer der wenigen Spitzenmodelle, die auf dynamische Schallwandlung setzen. Auch AKG hat mit dem K812 (UVP 1799€) ein neues Flaggschiff in diesem Preisbereich positioniert. Der dritte im Bunde der alt eingesessenen Kopfhörerproduzenten ist Beyerdynamic mit dem T1 (UVP 949€), der laut Preis zwar noch in die Kategorie bis 1000€ gehören würde, aber als direktes Konkurrenzprodukt zum Sennheiser HD800 gesehen werden muss, weshalb er hier aufscheint. Auch die beiden für ihre magnetostatischen Produkte bekannten Hersteller HifiMan und Audeze bedienen inzwischen diese Oberschicht. HifiMan stellte zur CES 2015 sein neues Monstrum, den HE-1000 vor, von dem leider noch kein Genauer Preis zum Zeitpunkt der Berichterstattung bekannt ist, der laut Spekulationen in einschlägigen Foren aber im oberen Preissegment anzusiedeln ist (Preise variieren zwischen 2000 und 3000€). Audezes LCD-Serie gibt es hingegen schon länger. Diese waren auch eine der ersten, die sich in Preisregionen oberhalb der 1000€ Grenze bewegten. Angefangen, von ihrem allseits bekannten LCD-2 (UVP 999$) über den LCD-X (UVP 1699$) bis hin zum Spitzenmodell LCD-3 (UVP 1999$). All diese Kopfhörer benötigen aber, wie schon erwähnt, einen potenten Verstärker um auch die volle Leistung herauskitzeln zu können.

Natürlich gibt es noch viele weitere Modelle. Diese Liste soll aber nur als persönliche Präferenz dienen, an der sich potenzielle Käufer anlehnen und vor-informieren können.

Fazit

Man sieht, dass die Modelle und Einsatzgebiete im Kopfhörersegment heutzutage nahezu ähnlich unüberschaubar werden, wie es bei der üblichen Unterhaltungselektronik der Fall ist. Dieser Ratgeber soll aber dabei helfen, einen Überblick über die Geräteklassen, Einsatzgebiete und Preiskategorien zu bekommen, um sich bei einem Kauf schlussendlich besser orientieren zu können (und sich nicht gleich alles vom netten Großhandelsverkäufer aufbinden lassen zu müssen). Als Faustregel beim Kopfhörerkauf gilt aber, genauso wie bei der Anschaffung von anderen Luxus- und Gebrauchsgegenständen: Probieren geht über studieren. Ein finales Fazit über seine jeweiligen Präferenzen muss sich also jeder durch eigenes Probehören selbst bilden.

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